Bart, Kopf- und Körperhaar, Bubikopf, Beehive und Braids, Kunstfrisuren, Perücken und Haarverlängerungen, queer-feministische und körperpolitische Aspekte – dies alles und manches mehr kommt zusammen in der Ausstellung »Grow It, Show It! Haare im Blick von Diane Arbus bis TikTok«. Das Essener Museum Folkwang macht die Behaarung zum Ariadnefaden einer eindrucksvollen kulturgeschichtlichen Präsentation. Ein Füllhorn, prall bestückt mit Fotografien, Videos und Musikclips, mit Porträts sowie Fundstücken aus Modefotografie und Werbung. Haare als Quelle von Lust und Last, als Träger diverser Bedeutungen – ein unerschöpfliches Thema.
Interview mit Gregor Schneider: »Wir können viel von Sterbenden lernen«
Link zur OriginalveröffentlichungDie Menschen werden immer älter. Und sie wollen immer länger leben. Erst kürzlich verkündete die Performance-Legende Marina Abramović (77), sie peile die 103 an – mindestens. Applaus in den Medien, was sonst? Bei anderen Menschen, die über den Tod nachdenken oder damit konfrontiert sind, ist das Interesse der Öffentlichkeit merklich geringer. Oder gar nicht vorhanden. Hier setzt Gregor Schneider an: Mit seinem Projekt »Ars Moriendi. Sterben im öffentlichen Raum«, das im Oktober in München startet, gibt der in Rheydt lebende Künstler jenen Todgeweihten ein Bild und eine Stimme, die nicht im Rampenlicht stehen. Ihr Vermächtnis überliefert eine App, mit der Schneider die Verbindung zum öffentlichen Raum herstellt.
Gipfeltreffen
Link zur OriginalveröffentlichungIm Ausstellungsreigen zum 75. Todestag von James Ensor ist das Königliche Museum für Schöne Künste Antwerpen (KMSKA) einer der zentralen Player. Schließlich beherbergt das Haus nicht nur die weltweit größte Ensor-Sammlung, sondern auch ein eigenes Forschungszentrum, das sich dem umfangreichen Œuvre des Meisters widmet. Mit der großen Ausstellung »Ensors kühnste Träume. Jenseits des Impressionismus« würdigt das KMSKA einen Maler, der sich von etlichen Kollegen inspirieren ließ, ohne je seine Originalität einzubüßen. Dass James Ensor von Bahnbrechern wie Manet, Monet, Pissarro und Renoir wegweisende Eindrücke empfing, als ausgeprägter Individualist allerdings nie vollends im impressionistischen Fahrwasser mitschwamm, dies und vieles mehr erfährt man in der Schau »Ensors kühnste Träume. Jenseits des Impressionismus«. Sie ist eine von vier Ausstellungen in Antwerpen, die das Finale des Ensor-Jubiläumsjahres in Belgien bilden.
Keiner stirbt für sich allein. Jedenfalls, wenn es nach Gregor Schneider geht. Der Künstler will das Sterben im öffentlichen Raum verankern
Link zur OriginalveröffentlichungSein Biennale-Pavillon »Totes Haus u r« hat Gregor Schneider berühmt gemacht. Seitdem blickt der Künstler dem Tod beharrlich ins Auge: Schneider hat sich als »Toter Mann« in einen Museumsraum gelegt, den Kryo-Container »Phoenix« kreiert, vor dem Museum Abteiberg in Mönchengladbach einen schwarzen Tunnel mit dem Titel »End« aufgestellt und im Staatstheater Darmstadt einen leeren »Sterberaum« auf die Bühne gebracht. »Der Tod«, sagt Schneider, »ist meine unverfügbare Erfahrung. Ich kann mir meinen Tod nicht vorstellen oder ihn fühlen. Diese Unvorstellbarkeit hat mich von jeher angezogen. Es ist wie eine Black Box.« Auf Einladung der Münchner Kammerspiele leistet Gregor Schneider nun künstlerische Sterbehilfe. »Ars Moriendi« startet am 19. Oktober.
Ausstellung in Essen: Folkwang frisiert die Foto-Kunst
Link zur OriginalveröffentlichungIn der Essener Ausstellung »Grow It, Show It! Haare im Blick von Diane Arbus bis TikTok« kommen die Sozialen Medien ganz groß raus. Mit Fotografien, Videos und Musikclips, mit Porträts sowie Fundstücken aus Modefotografie und Werbung gelingt der von Miriam Bettin und Thomas Seelig überaus kurzweilig arrangierten Präsentation eine nahezu enzyklopädische Behandlung des Themas. Das Haar, so scheint es, weht, wo es will. Dass sich die digitalen Plattformen endgültig im Kunstmuseum etabliert haben, daran lässt die als »Haarena« bezeichnete zentrale Zone der Ausstellung keinen Zweifel.
Romancier im Reich der Bilder: Marcel van Eeden
Link zur OriginalveröffentlichungEr ist ein Enzyklopädist mit dem Zeichenstift. Am liebsten würde Marcel van Eeden die ganze Welt abbilden – freilich nicht deren Gegenwart, sondern die Zeit vor seiner Geburt. Ausstellungen in Leverkusen (Museum Morsbroich) und Winterthur (Villa Flora) würdigen den niederländischen Künstler. Dass seine Strategie der Zeitreise mehr Gemeinsamkeiten mit der Literatur als mit der bildenden Kunst aufweist, kommt nicht von ungefähr: »Bevor ich Künstler geworden bin, wollte ich Schriftsteller werden«, sagt van Eeden. »Aber mein Talent hat nicht ausgereicht.« Ähnlich wie Marcel Proust mit seiner »Suche nach der verlorenen Zeit« die komplexe Natur der menschlichen Erinnerung und Zeiterfahrung zu ergründen suchte, begibt sich Marcel van Eeden auf eine Recherche, die das Vergangene so heranzoomt, als sei es erst vor einem Augenblick passiert.
Remagen: Ausstellung »der die DADA. Unordnung der Geschlechter«, Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Link zur OriginalveröffentlichungDie vielleicht berühmteste Dadaistin entspringt einer männlichen Phantasie: 1919 huldigte Kurt Schwitters in einem Gedicht der nachmaligen Dada-Ikone »Anna Blume«. Die »Geliebte meiner 27 Sinne«, wie der Merz-Künstler sie anhimmelte, wurde zur Chiffre für das, was den Dadaismus ausmacht: die Lust am Bizarren und Paradoxen, den Sinn für jeden Unsinn. Lässt sich aus der Erfindung dieser Kunstfigur durch einen Mann ableiten, dass die Herren der dadaistischen Schöpfung die maßgeblichen Impulse gaben zu dieser folgenreichen Bewegung? Mitnichten! Aufschlussreich, dass Schwitters selbst auf einer collagierten Porträtpostkarte seinen Kopf mit einer signalroten »Anna Blume«-Marke überklebte. Ein weibliches Primat, das mehr ist als ein Gag, wie jetzt eine Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck belegt: Sie präsentiert rund 200 Gemälde, Papierarbeiten, Fotografien, Filme und Texte, geographisch verankert entlang der Dada-Achse Zürich, Berlin, Köln, Paris und New York.
Foto-Ausstellung in Essen: Dauerhaft auf Durchreise
Link zur OriginalveröffentlichungSein Fotobuch »The Americans« machte die Schnappschuss-Ästhetik salonfähig. Robert Frank gehört zu den Pionieren der Fotografie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Jetzt ehrt ihn das Museum Folkwang mit einer Werkübersicht. Robert Franks Fotografien schildern das Leben als Ernstfall. Mit virtuoser Beiläufigkeit, Sinn für ungewöhnliche Perspektiven und Mut zum willkürlichen Bildausschnitt aufgenommen auf der Durchreise. Kein Zufall, dass der Künstler die Nähe zu Jack Kerouac suchte, dem Schriftsteller der Beat-Generation. Als Pendant zu dessen Buch »On the Road« zeichnen sich auch die Fotos von Robert Frank durch existenzielle Rastlosigkeit aus.
Tempo! Tempo!
Link zur OriginalveröffentlichungWer Gent ausschließlich mit historischen Bauwerken in Verbindung bringt, verkennt, dass die zweitgrößte Stadt Flanderns auch eine junge Seite hat. Dazu trägt einerseits die Universität bei. Andererseits hat sich Gent als »Europäische Jugendhauptstadt 2024« (EYC) auf die Fahnen geschrieben, der Jugendkultur ein Forum zu bieten, das sich über die gesamte Stadt erstreckt. Das Asfalt-Festival kommt da wie gerufen. An drei Tagen kann man in Gent rund 20 Street-Sport-Arten erleben und zudem in verschiedene Bereiche der Urban Culture eintauchen. Wettkämpfe, Showcases, Ausstellungen, Vorführungen und Workshops gehören zum Programm, das sich über fünf grüne Zonen in Gent erstreckt.
Dadaistinnen erfanden die Kunst neu – eine Schau rehabilitiert Frauen, die in der Blütezeit des Dadaismus in die zweite Reihe gedrängt wurden
Link zur OriginalveröffentlichungIn den 1920er-Jahren lief sie in bizarrem Aufzug als »lebende Skulptur« durch New York. Man Ray und Marcel Duchamp drehten einen Kurzfilm über sie – dessen einziger Gegenstand war die Rasur ihres Schamhaars. Provokation war ihr ein und alles. Elsa von Freytag-Loringhoven verkörpert den rebellischen Geist des Dadaismus wie kaum eine andere Künstlerpersönlichkeit dieser Bewegung, die 1916 in Zürich aus der Taufe gehoben wurde. Die extravagante Deutsche steht jetzt im Rampenlicht einer Dadaismus-Ausstellung, die das Arp Museum Bahnhof Rolandseck zeigt. »der die DADA. Unordnung der Geschlechter«, so lautet der Titel der mit rund 200 Exponaten bestückten Schau – die Dada-Zentren Zürich, Berlin, Köln, Paris und New York dienen als Orientierungspunkte, um die Stoff-Fülle zu bändigen.