Die These, hinter jedem bedeutenden Mann stehe eine Frau, trieb Alma Mahler-Werfel auf die Spitze. Die Frau mit vielen Eigenschaften (1879–1964), in jungen Jahren als »das schönste Mädchen Wiens« gerühmt, nahm VIPs der Musik-, Kunst- und Literaturszene beinahe serienweise unter ihre Obhut. So faszinierend die Muse bedeutender Künstler, die selbst als Komponistin hervortrat, so abschreckend ihr Judenhass. In Essen haben sich sechs Kulturinstitutionen zusammengetan, um Alma Mahler-Werfel mit einem Festival zu feiern und sie einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Vom 20. März bis 22. Juni gibt es ein dichtbestücktes Programm: Ausstellungen, Performances, tänzerische Darbietungen, Konzerte, Gespräche, Vorträge und Aufführungen gehören dazu.
Zwischen Nackenstarre und Kunstgenuss. Daumiers Menschen im Museum
Link zur OriginalveröffentlichungDavon können heutige Kunstjournalisten nur träumen: 1865 veröffentlichte Honoré Daumier in der Zeitschrift »Le Charivari« eine Lithografie mit dem Titel »Die Promenade des einflussreichen Kritikers«. Das Zentrum der Szene, die im Pariser Salon angesiedelt ist, beherrscht ein Kunstrichter. Durchdrungen vom Gefühl eigener Bedeutsamkeit, notiert er seine Eindrücke auf einem Zettel. Umringt ist der gestreng Schreibende von Künstlern, die ehrerbietig ihren Zylinder ziehen – offenbar in der Hoffnung, das Urteil zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Daumiers »Promenade des einflussreichen Kritikers« ist eine von rund 30 Lithografien der Ausstellung »Zwischen Nackenstarre und Kunstgenuss. Daumiers Menschen im Museum« – mit dieser Kabinettschau flankiert das Wallraf-Richartz-Museum seine weitgespannte Themenausstellung »Museum der Museen. Eine Zeitreise durch die Kunst des Ausstellens und Sehens«. Die Daumier-Präsentation, die mit einer witzig-kurzweiligen Ausstellungszeitung und Kaffeehaus-Atmosphäre den Geist der Epoche heraufbeschwört, erweist den Beobachter des Pariser Großstadtlebens als präzisen Schilderer einer Kunstwelt, die in manchem auf heutige Usancen vorausweist.
Ausstellung »Die Anfänge: Radical Innovations«: Kunsthalle Recklinghausen widmet sich der Nierentisch-Ära
Link zur Originalveröffentlichung1950 nahm die städtische Kunsthalle in Recklinghausen den Betrieb auf. Die Jubiläumsschau »75 Jahre Kunsthalle Recklinghausen. Die Anfänge: Radical Innovations« blickt mit zahlreichen Werken des Informel zurück auf die Anfänge. Sie waren geprägt durch Pioniergeist – und durch wegweisende Ausstellungsinszenierungen. Noch bevor documenta-Gründer Arnold Bode 1955 das kriegsbeschädigte Kasseler Fridericianum als Kulisse für eine bewusst provisorische Inszenierung nutzte, konnte man im zur Kunsthalle umfunktionierten Recklinghäuser Hochbunker staunend zur Kenntnis nehmen, was damals ›State of the Art‹ in Sachen Ausstellungsarchitektur war. Dazu gehörte vor allem der Abschied von der Fixierung auf die Wand als unumstößlicher Bildträger zugunsten einer offenen, luftigen Positionierung der Kunstwerke mitten im Raum; dazu gehörten ferner Vorhänge, geschwungene Wände oder filigrane Vitrinen. Und – besonders gewagt – eigenartig hohe Stühle, deren gekippte Sitzflächen als Stellfläche und Resonanzraum für Bilder dienten.
Flickschusterei in Köln
Link zur Originalveröffentlichung»Habent sua fata libelli« – »Bücher haben ihre Schicksale«, dieses Zitat des antiken Grammatikers Terentianus Maurus wird gern verwendet, um auszudrücken, dass Bücher ihre eigenen, manchmal unvorhersehbaren Wege gehen, nachdem sie veröffentlicht wurden. Was die Bestände der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln (KMB) angeht, scheint dieser Weg geradewegs in eine Sackgasse zu führen. Schon lange gleicht die KMB, wo rund 550.000 Bücher geballte Informationen zu mehr als 100.000 Künstlern bieten, eher einem Verschiebebahnhof als einer mit Wertschätzung behandelten Bücherei. Jetzt droht sogar die Schließung. Nicht nur Kölns Kunstszene macht dagegen mobil.
Mönchengladbacher Kunstprojekt mit Fangesängen: Von der Nordkurve ins Museum
Link zur OriginalveröffentlichungDer amerikanische Komponist und Künstler Ari Benjamin Meyers krönt sein dreiteiliges Projekt »Kunsthalle for Music« mit einem »Hymnus« an die Fans von Borussia Mönchengladbach. Deren Gesänge werden zu Sound Art. Unterstützt von Museumsdirektorin Susanne Titz und Co-Kurator Gian Marco Hölk, nahm er Kontakt mit den Fanclubs auf, lud sie ein, ihre Borussia-Lieblingssongs auszuwählen und mit ihm gemeinsam an sieben Orten in der Stadt aufzunehmen. Die domestizierten Fansongs – stellenweise gleichen sie eher Chorälen als Schlachtgesängen – sind an den Aufführungsorten dauerhaft über QR-Codes abrufbar. Derweil präsentiert eine Ausstellung im Abteiberg-Museum Leuchtkästen Fotos der mitwirkenden Borussia-Fans. Deren Gesängen kann man hier über Kopfhörer lauschen.
Architekturfotografie von Irmel Kamp: Häuser mit Seele
Link zur OriginalveröffentlichungBei Architekturfotografie mit künstlerischem Anspruch denken die meisten unweigerlich an Bernd und Hilla Becher. Irmel Kamp dagegen war bis vor kurzem weniger bekannt, gehörte sogar zur Kategorie »Geheimtipp«. Obwohl sie seit mehr als vier Jahrzehnten moderne Architektur so meisterlich fotografiert, dass jede Aufnahme als ebenso präzise wie eigenwillige Charakterstudie eines Gebäudes erscheint. Linn Lühn präsentiert zwei Serien der in Aachen lebenden Fotografin (Jahrgang 1937) in ihrer Galerie in Düsseldorf-Flingern. In Tel Aviv und Brüssel hat sie die Architektur der Moderne mit der Kamera festgehalten. Anders als die Bechers, die industrielle Bauten ins Raster einer rigiden, streng sachlichen Typologie einpassten, dokumentiert Irmel Kamp Architektur inklusive jener Eigenarten, die der Alltag oder der Zahn der Zeit mit sich bringen. Vermeintlich unliebsame Zutaten – bröckelnde Fassadenteile, abgesprungener Putz, Palmen und andere Gewächse, Fernsehantennen oder Stromkabel, die sich durchs Bild ziehen – empfindet sie nicht als störend. Im Gegenteil: Sie verleihen den Fotografien ihr unverwechselbares Gepräge.
Menschen im Museum: Interview mit Felix Krämer
Link zur OriginalveröffentlichungMit seinen Momentaufnahmen von Menschen im Museum hat Felix Krämer auf Instagram eine große Fan-Community gefunden. Dabei ist er gar kein Fotokünstler, sondern Kunsthistoriker – seit 2017 leitet Krämer den Düsseldorfer Kunstpalast. Die Städtische Galerie im Park Viersen widmet seinen ebenso treffsicheren wie witzigen Schnappschüssen eine eigene Ausstellung, die der Kunst-Comedian Jakob Schwerdtfeger kuratiert hat. Im Interview beleuchtet Felix Krämer die Hintergründe seines fotografischen Hobbys. Und erklärt, weshalb er das Smartphone beim Ausstellungsbesuch immer zur Hand hat. »Besucher«, sagt Krämer, »sind für mich schon immer ein entscheidender Teil des Kuratierens gewesen. Seit etwa zehn Jahren mache ich nebenher die Schnappschüsse von Museumsbesuchern. Der erste Blick gilt aber immer der Kunst.«
Fan-Hymne von Ari Benjamin Meyers: Die Erfindung der Elftonmusik
Link zur OriginalveröffentlichungDer in Berlin lebende US-Komponist Ari Benjamin Meyers vollendet sein dreiteiliges Projekt »Kunsthalle for Music« mit einer Hymne an die Fans von Borussia Mönchengladbach. Deren lautstarke Gesänge werden ins Kunstsystem eingespeist und auf diese Art nobilitiert. Sieben Liebeslieder rund um die Borussia, von den Fans gesungen, von Ari Benjamin Meyers dirigiert, stehen im Mittelpunkt des Geschehens: zum einen klassische Fansongs – beispielsweise das »Borussenlied«, »Die Elf vom Niederrhein« oder »Die Seele brennt« –, zum anderen die von Meyers komponierte Hymne »Die MG Elf«.
Kunst als Wunschkonzert: Yoko Ono will nach wie vor die Welt retten
Link zur OriginalveröffentlichungKonzeptkunst, Fluxus, Film, Musik und Engagement für den Frieden – die künstlerische Praxis von Yoko Ono hat viele Facetten. Ihre Düsseldorfer Ausstellung »Music of the Mind« ist gespickt mit weltanschaulichen Identifikationsangeboten für unverbesserliche Träumer. Dass sich der Ideenreichtum der Fluxus-Künstlerin hinter ihrem Idealismus nicht zu verstecken braucht, dafür gibt es beim Rundgang durch die Schau in der Kunstsammlung NRW etliche Belege. Ihr Lieblingsmotto »Give Peace a Chance« kennt allerdings Grenzen.
Höhere Mathematik: Ausstellung von Rune Mields im Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen
Link zur OriginalveröffentlichungVon 1965 bis 1970 lebte Rune Mields in Aachen. Hier gehörte die Konzeptkünstlerin zu den Schlüsselfiguren des legendären Kunstvereins »Gegenverkehr«. Zum 90. Geburtstag gratuliert ihr das Ludwig Forum für Internationale Kunst mit einer Ausstellung. Im Mittelpunkt der Hommage stehen »Röhrenbilder« sowie Zeichnungen, in denen die Magie der Zahlen beschworen wird. Zahlreiche Werke, die seit den späten 1960er Jahren entstanden sind, umkreisen das Zwitterwesen der Mathematik – einerseits gilt sie als Inbegriff der Rationalität, andererseits eignet ihr etwas Mysteriöses oder gar »Teuflisches«. In den weitläufigen Hallen des Ludwig Forums wird der Besucher unversehens zum Zahlen- und Zauberlehrling, wenn er sich in die nur scheinbar spröde Ziffernmagie von Rune Mields vertieft.