Cindy Shermans erste große Soloshow in Belgien, präsentiert im Antwerpener Fotografie-Museum FOMU, ist die ideale Ergänzung zum Ausstellungsprogramm rund um den 75. Todestag von James Ensor. Den flämischen Maler und die US-Fotokünstlerin verbindet manches – etwa die Vorliebe für Masken und Morbides. – Cindy Sherman liebt Verwandlungen. Seit Mitte der 70er Jahre ist die amerikanische Künstlerin vor ihrer Kamera in derart viele Rollen geschlüpft, dass sie die Wandlungsfähigkeit jedes Schauspielers in den Schatten stellt. Zum Repertoire der Selbstdarstellerin, die sich in ihren Bildern bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, gehören auch abgründige Darstellungen von Clowns. Das Tragische der Clownsrolle hat auch James Ensor in mehreren Bildern ausgelotet – beispielsweise in den Gemälden »Pierrot und Skelette« (1905) und »Die verwirrten Masken« (1930).
Jahrmarkt der Eitelkeiten: Das FOMU in Antwerpen präsentiert Cindy Sherman
Link zur OriginalveröffentlichungAusstellung »Maskerade, Make-up & Ensor«, MoMu – Mode-Museum, Antwerpen
Link zur OriginalveröffentlichungWer die aktuelle Sonderausstellung des Antwerpener Mode-Museums betritt, fühlt sich wegen der Puppen, Perücken und magisch erleuchteten Kabinette in ein Ambiente versetzt, das teils einer Varieté-Inszenierung ähnelt, teils einer Märchenwelt. Der 75. Todestag des Malers James Ensor (1860–1949), den Belgien mit einer Serie von Präsentationen nach allen Regeln der Ausstellungskunst feiert, bietet den Anlass, den Symbolisten als Vaterfigur heutiger Make-up-Artists zu reklamieren. Ensors Vorliebe für Maskeraden und Morbides, sein Hang zu Groteskem, Schabernack und Karneval, sein freies Flottieren zwischen Allegorien, religiösen Motiven, Porträts, Landschaften, Seestücken und Stillleben – all das macht ihn zur postmodernen Künstlerpersönlichkeit avant la lettre. Kein Wunder, dass James Ensor heutigen Kreativen als Wahlverwandter und erstrangige Inspirationsquelle erscheint.
Ausstellung »Too much future. Schenkung Florian Peters-Messer«, Kunstpalast Düsseldorf
Link zur OriginalveröffentlichungVor vier Jahren kuratierten Linda Peitz und der Sammler Florian Peters-Messer im Kunstpalast Düsseldorf die Präsentation »Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns«. Eine Gruppenausstellung, die gesellschaftspolitisch brisante Themen aufs Tapet brachte. Inzwischen stehen die Zeichen des Zeitgeistes noch entschiedener auf Sturm. Wie gerufen kommt deshalb die aktuelle Kunstpalast-Ausstellung, die sich diesmal auf die Sammlung Peters-Messer selbst konzentriert. Die Schau geht mit einer großzügigen Schenkung des Viersener Immobilienunternehmers an das Museum einher. Dem Haus ist er seit langem verbunden – bei den Freunden des Düsseldorfer Kunstpalasts agiert Peters-Messer als Schatzmeister. Seinen 60. Geburtstag nahm er nun zum Anlass, andere zu beschenken.
Ausstellung im Dortmunder U: Feministischer Weckruf
Link zur OriginalveröffentlichungDas Museum Ostwall im Dortmunder U präsentiert 30 Künstlerinnen, die dem Expressionismus und der Fluxus-Bewegung angehören. Kunsthistorische Perioden, die per se wenig miteinander zu tun haben. Der Grund für den Epochenmix: Sowohl der Expressionismus, meist auf den Zeitraum 1905–1925 eingegrenzt, als auch die Avantgarde-Bewegung Fluxus, die in den 1960er-Jahren entstand, bilden Schwerpunkte im Bestand des städtischen Museums. Frauen allerdings spielen bislang in der seit 1949 aufgebauten Sammlung eine Nebenrolle. Hier setzt die Ausstellung im Museum Ostwall an – sie versteht sich als Korrektiv und rückt die Künstlerinnen ins Rampenlicht.
Virtuosen der Verwandlung
Link zur OriginalveröffentlichungDen 75. Todestag von James Ensor nehmen vier Museen in Antwerpen zum Anlass, sein Werk aus verschiedenen Blickwinkeln zu präsentieren. Eine Ausstellung im Mode-Museum MoMu sieht im belgischen Maler (1860-1949) gar eine Vaterfigur heutiger Make-up-Artists. »Maskerade, Make-up & Ensor«, so haben die Kuratorinnen Kaat Debo, Elisa De Wyngaert und Romy Cockx ihre Präsentation betitelt. Eine gewagte Allianz – doch im Fall von James Ensor ergibt der Schulterschluss tatsächlich Sinn. Nicht nur, weil das MoMu eine Reihe von Bildern des Meisters aufbieten kann, in denen Make-up die Gesamtwirkung erheblich aufpoliert. Wichtiger noch als das einzelne Kunstwerk, das Masken oder geschminkte Gesichter als Motive verwendet, ist der Grundtenor im Schaffen von Ensor: Seine Vorliebe für Maskeraden und Morbides, sein Hang zu Groteskem, Schabernack und Karneval zeugen von einer Künstlerpersönlichkeit, die mit der Dialektik des Verbergens und Offenbarens spielt.
Ensor-Jubiläum: Der Maler des Mummenschanz
Link zur OriginalveröffentlichungNeben der Hingabe, mit der Belgien in diesem Jahr James Ensor (1860–1949) feiert, verblasst selbst das hiesige, nicht eben karge Jubiläumsprogramm rund um den Romantiker Caspar David Friedrich. Mehr als zehn Ausstellungen beleuchten sämtliche Facetten im Schaffen Ensors, der in Belgien eine Berühmtheit ist. Das Finale des Jubeljahres geht in Antwerpen über die Bühne. Das dortige Königliche Museum der Schönen Künste beherbergt die weltweit größte Sammlung seiner Werke. Ein Pfund, mit dem das KMSKA jetzt in Gestalt der Sonderausstellung »Ensors kühnste Träume. Jenseits des Impressionismus« wuchert. Weitere Antwerpener Schauplätze beim Ensor-Jubiläum sind das ModeMuseum (MoMu), das FOMU – Fotomuseum und das Museum Plantin-Moretus.
Wunderbarer Haarsalon
Link zur OriginalveröffentlichungBart, Kopf- und Körperhaar, Bubikopf, Beehive und Braids, Kunstfrisuren, Perücken und Haarverlängerungen, queer-feministische und körperpolitische Aspekte – dies alles und manches mehr kommt zusammen in der Ausstellung »Grow It, Show It! Haare im Blick von Diane Arbus bis TikTok«. Das Essener Museum Folkwang macht die Behaarung zum Ariadnefaden einer eindrucksvollen kulturgeschichtlichen Präsentation. Ein Füllhorn, prall bestückt mit Fotografien, Videos und Musikclips, mit Porträts sowie Fundstücken aus Modefotografie und Werbung. Haare als Quelle von Lust und Last, als Träger diverser Bedeutungen – ein unerschöpfliches Thema.
Interview mit Gregor Schneider: »Wir können viel von Sterbenden lernen«
Link zur OriginalveröffentlichungDie Menschen werden immer älter. Und sie wollen immer länger leben. Erst kürzlich verkündete die Performance-Legende Marina Abramović (77), sie peile die 103 an – mindestens. Applaus in den Medien, was sonst? Bei anderen Menschen, die über den Tod nachdenken oder damit konfrontiert sind, ist das Interesse der Öffentlichkeit merklich geringer. Oder gar nicht vorhanden. Hier setzt Gregor Schneider an: Mit seinem Projekt »Ars Moriendi. Sterben im öffentlichen Raum«, das im Oktober in München startet, gibt der in Rheydt lebende Künstler jenen Todgeweihten ein Bild und eine Stimme, die nicht im Rampenlicht stehen. Ihr Vermächtnis überliefert eine App, mit der Schneider die Verbindung zum öffentlichen Raum herstellt.
Gipfeltreffen
Link zur OriginalveröffentlichungIm Ausstellungsreigen zum 75. Todestag von James Ensor ist das Königliche Museum für Schöne Künste Antwerpen (KMSKA) einer der zentralen Player. Schließlich beherbergt das Haus nicht nur die weltweit größte Ensor-Sammlung, sondern auch ein eigenes Forschungszentrum, das sich dem umfangreichen Œuvre des Meisters widmet. Mit der großen Ausstellung »Ensors kühnste Träume. Jenseits des Impressionismus« würdigt das KMSKA einen Maler, der sich von etlichen Kollegen inspirieren ließ, ohne je seine Originalität einzubüßen. Dass James Ensor von Bahnbrechern wie Manet, Monet, Pissarro und Renoir wegweisende Eindrücke empfing, als ausgeprägter Individualist allerdings nie vollends im impressionistischen Fahrwasser mitschwamm, dies und vieles mehr erfährt man in der Schau »Ensors kühnste Träume. Jenseits des Impressionismus«. Sie ist eine von vier Ausstellungen in Antwerpen, die das Finale des Ensor-Jubiläumsjahres in Belgien bilden.
Keiner stirbt für sich allein. Jedenfalls, wenn es nach Gregor Schneider geht. Der Künstler will das Sterben im öffentlichen Raum verankern
Link zur OriginalveröffentlichungSein Biennale-Pavillon »Totes Haus u r« hat Gregor Schneider berühmt gemacht. Seitdem blickt der Künstler dem Tod beharrlich ins Auge: Schneider hat sich als »Toter Mann« in einen Museumsraum gelegt, den Kryo-Container »Phoenix« kreiert, vor dem Museum Abteiberg in Mönchengladbach einen schwarzen Tunnel mit dem Titel »End« aufgestellt und im Staatstheater Darmstadt einen leeren »Sterberaum« auf die Bühne gebracht. »Der Tod«, sagt Schneider, »ist meine unverfügbare Erfahrung. Ich kann mir meinen Tod nicht vorstellen oder ihn fühlen. Diese Unvorstellbarkeit hat mich von jeher angezogen. Es ist wie eine Black Box.« Auf Einladung der Münchner Kammerspiele leistet Gregor Schneider nun künstlerische Sterbehilfe. »Ars Moriendi« startet am 19. Oktober.