Texte, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind

Diese Auswahl versammelt eine Reihe meiner Artikel, erschienen unter anderem im Magazin »kultur.west«, der »Neuen Zürcher Zeitung«, »Monopol« dem »boesner Kunstportal« und der »Rheinischen Post«. Kunst, Architektur und Design, Kultur und Geschichte bilden den Schwerpunkt.
Stiller Protest: Kamalini Mukherjis Protestvideo gegen Gewalt an Frauen
Das barbarische Verbrechen an einer indischen Ärztin brachte Kamalini Mukherji auf die Barrikaden. Gemeinsam mit einem weiblichen Ensemble der Duisburger Philharmoniker hat die Sängerin ein Musikvideo produziert, das der Gewalttat die nachhaltige Kraft der Kunst entgegensetzt. Sie wählte ein traditionelles Lied des bengalischen Dichters, Philosophen und Komponisten Rabindranath Tagore: »Aguner poroshmoni«, so lautet der Titel des eindringlichen Sechs-Minuten-Videos. Anders als man es bei einem solchen Song erwarten würde, setzt »Aguner poroshmoni« nicht auf laute Töne. Ein stiller Protest, glaubt Kamalini Mukherji, ist wirkungsvoller – jedenfalls dann, wenn er mit einer kraftvollen und nachhaltigen künstlerischen Botschaft gepaart ist.
»Aguner poroshmoni«, Video-Still | Foto: @ Duisburger PhilharmonikerKunst
Mamma Mia: Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf
»Von Maria bis Merkel« reicht die Anthologie jener Mutterbilder, mit denen der Kunstpalast in Düsseldorf das familiäre Kernthema in einer Ausstellung beleuchtet. Mit rund 120 Werken (vom 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart) wollen die Kuratorinnen Linda Conze, Westrey Page und Anna Christina Schütz die Chancen und Risiken des Mutter-Daseins ausloten. Das Spektrum der Schau umfasst neben Malerei und Skulptur, Video-Installationen und Fotografie auch Dinge des täglichen Gebrauchs sowie Musik und kommerzielle Bildwelten. Zwischen Verklärung und einem nüchternen Blick auf jene Anforderungen, denen Mütter genügen sollen, um als ›Supermama‹ gepriesen zu werden, entfaltet sich ein abwechslungsreicher Rundgang, der zehn Themenräume umfasst. Die Kuratorinnen haben gründlich recherchiert, um möglichst viele jener Aspekte aufzugreifen, die zwischen Mutterkomplex und Mutter Gottes der Berücksichtigung wert sind.
Marie-Victoire Lemoine: »Porträt Madame de Lucqui mit ihrer Tochter Anne-Aglaé Deluchi«, 1800, Öl auf Leinwand, Arp Museum Bahnhof Rolandseck | Foto: Mick VincenzKunst
Alma Mahler in Essen: Venus der Wiener Moderne
Die These, hinter jedem bedeutenden Mann stehe eine Frau, trieb Alma Mahler-Werfel auf die Spitze. Die Frau mit vielen Eigenschaften nahm VIPs der Musik-, Kunst- und Literaturszene beinahe serienweise unter ihre Musen-Obhut. Ebenso heftig wie kurz die Beziehung zum expressionistischen Maler Oskar Kokoschka. Sein Doppelbildnis von 1912 zählt zu den Spitzenwerken innerhalb der Sammlung zur Moderne im Museum Folkwang. Dessen Direktor, Peter Gorschlüter, hatte den zündenden Einfall, Alma Mahler mit der gern grenzüberschreitenden Gegenwartskunst in Verbindung zu bringen. So entstand die Idee zum interdisziplinären Festival „Doppelbildnisse. Alma Mahler-Werfel im Spiegel der Wiener Moderne“. Vom 20. März bis 22. Juni gibt es ein dichtbestücktes Programm: Ausstellungen, Performances, tänzerische Darbietungen, Konzerte, Gespräche, Vorträge und Aufführungen gehören dazu.
Oskar Kokoschka: „Doppelbildnis Alma Mahler und Oskar Kokoschka“, 1912, Museum Folkwang, Essen | Foto: © Fondation Oskar KokoschkaKunst
Zwischen Nackenstarre und Kunstgenuss. Daumiers Menschen im Museum
Davon können heutige Kunstjournalisten nur träumen: 1865 veröffentlichte Honoré Daumier in der Zeitschrift »Le Charivari« eine Lithografie mit dem Titel »Die Promenade des einflussreichen Kritikers«. Das Zentrum der Szene, die im Pariser Salon angesiedelt ist, beherrscht ein Kunstrichter. Durchdrungen vom Gefühl eigener Bedeutsamkeit, notiert er seine Eindrücke auf einem Zettel. Umringt ist der gestreng Schreibende von Künstlern, die ehrerbietig ihren Zylinder ziehen – offenbar in der Hoffnung, das Urteil zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Daumiers »Promenade des einflussreichen Kritikers« ist eine von rund 30 Lithografien der Ausstellung »Zwischen Nackenstarre und Kunstgenuss. Daumiers Menschen im Museum« – mit dieser Kabinettschau flankiert das Wallraf-Richartz-Museum seine weitgespannte Themenausstellung »Museum der Museen. Eine Zeitreise durch die Kunst des Ausstellens und Sehens«. Die Daumier-Präsentation, die mit einer witzig-kurzweiligen Ausstellungszeitung und Kaffeehaus-Atmosphäre den Geist der Epoche heraufbeschwört, erweist den Beobachter des Pariser Großstadtlebens als präzisen Schilderer einer Kunstwelt, die in manchem auf heutige Usancen vorausweist.
Ausstellungsansicht »Zwischen Nackenstarre und Kunstgenuss. Daumiers Menschen im Museum« | Foto: © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation CorboudKunst
Ausstellung »Die Anfänge: Radical Innovations«: Kunsthalle Recklinghausen widmet sich der Nierentisch-Ära
1950 nahm die städtische Kunsthalle in Recklinghausen den Betrieb auf. Die Jubiläumsschau »75 Jahre Kunsthalle Recklinghausen. Die Anfänge: Radical Innovations« blickt mit zahlreichen Werken des Informel zurück auf die Anfänge. Sie waren geprägt durch Pioniergeist – und durch wegweisende Ausstellungsinszenierungen. Noch bevor documenta-Gründer Arnold Bode 1955 das kriegsbeschädigte Kasseler Fridericianum als Kulisse für eine bewusst provisorische Inszenierung nutzte, konnte man im zur Kunsthalle umfunktionierten Recklinghäuser Hochbunker staunend zur Kenntnis nehmen, was damals ›State of the Art‹ in Sachen Ausstellungsarchitektur war. Dazu gehörte vor allem der Abschied von der Fixierung auf die Wand als unumstößlicher Bildträger zugunsten einer offenen, luftigen Positionierung der Kunstwerke mitten im Raum; dazu gehörten ferner Vorhänge, geschwungene Wände oder filigrane Vitrinen. Und – besonders gewagt – eigenartig hohe Stühle, deren gekippte Sitzflächen als Stellfläche und Resonanzraum für Bilder dienten.
Ausstellungsarchitektur mit Stuhldisplays, rechts Gemälde von Hal Busse (»Bild 58/59«, 1958/59) | Foto: Caroline SchlüterKunst
Flickschusterei in Köln
»Habent sua fata libelli« – »Bücher haben ihre Schicksale«, dieses Zitat des antiken Grammatikers Terentianus Maurus wird gern verwendet, um auszudrücken, dass Bücher ihre eigenen, manchmal unvorhersehbaren Wege gehen, nachdem sie veröffentlicht wurden. Was die Bestände der Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln (KMB) angeht, scheint dieser Weg geradewegs in eine Sackgasse zu führen. Schon lange gleicht die KMB, wo rund 550.000 Bücher geballte Informationen zu mehr als 100.000 Künstlern bieten, eher einem Verschiebebahnhof als einer mit Wertschätzung behandelten Bücherei. Jetzt droht sogar die Schließung. Nicht nur Kölns Kunstszene macht dagegen mobil.
Der KMB-Standort im Kattenbug platzt aus allen Nähten | Foto: Stefanie StadelKunst
Mönchengladbacher Kunstprojekt mit Fangesängen: Von der Nordkurve ins Museum
Der amerikanische Komponist und Künstler Ari Benjamin Meyers krönt sein dreiteiliges Projekt »Kunsthalle for Music« mit einem »Hymnus« an die Fans von Borussia Mönchengladbach. Deren Gesänge werden zu Sound Art. Unterstützt von Museumsdirektorin Susanne Titz und Co-Kurator Gian Marco Hölk, nahm er Kontakt mit den Fanclubs auf, lud sie ein, ihre Borussia-Lieblingssongs auszuwählen und mit ihm gemeinsam an sieben Orten in der Stadt aufzunehmen. Die domestizierten Fansongs – stellenweise gleichen sie eher Chorälen als Schlachtgesängen – sind an den Aufführungsorten dauerhaft über QR-Codes abrufbar. Derweil präsentiert eine Ausstellung im Abteiberg-Museum Leuchtkästen Fotos der mitwirkenden Borussia-Fans. Deren Gesängen kann man hier über Kopfhörer lauschen.
Ari Benjamin Meyers: »Hymnus (Fankurve), Kunsthalle for Music in Mönchengladbach, Act III« | Foto: Anna TiessenKunst
Architekturfotografie von Irmel Kamp: Häuser mit Seele
Bei Architekturfotografie mit künstlerischem Anspruch denken die meisten unweigerlich an Bernd und Hilla Becher. Irmel Kamp dagegen war bis vor kurzem weniger bekannt, gehörte sogar zur Kategorie »Geheimtipp«. Obwohl sie seit mehr als vier Jahrzehnten moderne Architektur so meisterlich fotografiert, dass jede Aufnahme als ebenso präzise wie eigenwillige Charakterstudie eines Gebäudes erscheint. Linn Lühn präsentiert zwei Serien der in Aachen lebenden Fotografin (Jahrgang 1937) in ihrer Galerie in Düsseldorf-Flingern. In Tel Aviv und Brüssel hat sie die Architektur der Moderne mit der Kamera festgehalten. Anders als die Bechers, die industrielle Bauten ins Raster einer rigiden, streng sachlichen Typologie einpassten, dokumentiert Irmel Kamp Architektur inklusive jener Eigenarten, die der Alltag oder der Zahn der Zeit mit sich bringen. Vermeintlich unliebsame Zutaten – bröckelnde Fassadenteile, abgesprungener Putz, Palmen und andere Gewächse, Fernsehantennen oder Stromkabel, die sich durchs Bild ziehen – empfindet sie nicht als störend. Im Gegenteil: Sie verleihen den Fotografien ihr unverwechselbares Gepräge.
Irmel Kamp: »Bruxelles (Maison Wolfers)«, 1996/1997 | Foto: © Irmel Kamp, courtesy Linn Lühn, Düsseldorf & Thomas Fischer, Berlin